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Finja Spielmann spricht zur Einweihung des Clara-Israel-Platzes und der dortigen Gedenkstele über Empathie als Haltung
Feierliche Benennung des Clara-Israel-Platzes
Mittwoch, 22. Oktober 2025 – Charlottenburg-Wilmersdorf
Bei der feierlichen Enthüllung der Gedenkstele am 22. Oktober 2025 vor dem Standesamt Charlottenburg (Alt-Lietzow 28) würdigte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf die außergewöhnlichen Verdienste von Clara Israel (1876–1942) – einer der bedeutendsten Pionierinnen der Sozialen Arbeit in Deutschland.
In ihrer Rede sagte die 18-jährige Finja Spielmann vom Kinder- und Jugendparlament (KJP) im Verbund mit dem Spielhaus Schillerstraße (unter freier Trägerschaft der Friedenskirche Charlottenburg):
„Empathie heißt, sich hineinzuversetzen – in Menschen, die ausgegrenzt oder bedroht wurden. Diese Empathie ist der Schlüssel zur Erinnerung. Sie verwandelt Geschichte in Haltung.“
Einen besonderen Höhepunkt bildete die Ansprache von Finja Spielmann vom Kinder- und Jugendparlament (KJP) im Verbund mit dem Spielhaus Schillerstraße, einer Einrichtung unter der freien Trägerschaft der Friedenskirche Charlottenburg. Neben ihr sprach Aviv Gerstetter als jüdischer Vertreter des KJP.
Sie sprach im Namen vieler Kinder und Jugendlicher, die sich seit Jahren mit der Geschichte jüdischen Lebens im Bezirk auseinandersetzen. In ihrer Rede verband sie die Erinnerung an Clara Israel mit den aktuellen Bildungsprojekten des Spielhauses – insbesondere dem Lern- und Gedenkort Charlotte, der die Geschichte der jüdischen Sozialarbeiterin Melitta Charlotte Hoffmann sichtbar macht.
Mit einer bewegenden Gedenkfeier ehrte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf die Sozialpädagogin Clara Israel (1876–1942).
Vor dem Standesamt Charlottenburg, in der Grünfläche Alt-Lietzow 28, wurde die dortige Fläche offiziell in Clara-Israel-Platz benannt. Eine Gedenkstele erinnert fortan an eine Frau, die durch Mut, Verantwortungsbewusstsein und Menschlichkeit Maßstäbe setzte.

Zu den Redner:innen der Veranstaltung gehörten:
- links Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen
- am Mikrofon Simon Hertel, Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit
- 3.von links, rechts neben der Stele: Judith Stückler, Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung, die das Projekt maßgeblich initiiert hatte
- 2.von links: Uta von Pirani, ehemalige Jugendamtsleiterin und Sozialwissenschaftlerin - Initiatorin der Stele und der Platzbenennung
Zur Person Clara Israel
Clara Israel (1876–1942) gilt als eine der bedeutendsten Pionierinnen der Sozialen Arbeit in Deutschland.
Sie war die erste Leiterin des neu gegründeten Jugendamtes Charlottenburg und setzte sich besonders für die berufliche Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen ein.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde sie aus dem Amt gedrängt. Dennoch blieb sie in der Sozialarbeit tätig – im Jüdischen Hauspflegeverein Berlin-Charlottenburg.
Als ihr 1942 die Deportation drohte, nahm sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Lebensgefährtin das Leben.
Mit der Benennung des Platzes und der Errichtung der Gedenkstele würdigt der Bezirk eine entschlossene Frau, die für Menschlichkeit, Mut und Verantwortung stand – und bekennt sich zugleich zur sozialen Verantwortung der eigenen Jugendamtsarbeit.

Rede von Finja Spielmann
(Auszug vollständig wiedergegeben)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
ich bin Finja Spielmann und stehe heute hier für das Kinder- und Jugendparlament – kurz KJP – im Verbund mit den Kindern und Jugendlichen des Spielhaus Schillerstraße, unter der freien Trägerschaft der Friedenskirche Charlottenburg.
Wir alle beschäftigen uns seit Jahren schon mit ausgelöschter jüdischer Geschichte in Charlottenburg.
Heute wird hier konkret an Clara Israel erinnert –
die Frau, die Mut, Verantwortung und Menschlichkeit gelebt hat.
Clara Israel war eine Pionierin der Sozialen Arbeit.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen,
wurde sie aus ihren Ämtern gedrängt.
Doch sie blieb ihren Werten treu
und arbeitete weiter – im Jüdischen Hauspflegeverein in Charlottenburg.
Als ihr schließlich die Deportation drohte,
nahm sie sich 1942 gemeinsam mit ihrer Schwester und einer Freundin das Leben.
Clara Israel hat ihr Leben verloren,
aber ihre Haltung bleibt –
ein Zeichen von Mut, Würde und Verantwortung.
Darum ist es ein starkes Signal,
dass heute ein Platz in unserem Bezirk ihren Namen trägt.
Dieses Zeichen passt zu Charlottenburg-Wilmersdorf.
Solche Signale leben wir als KJP seit langer Zeit!
Seit inzwischen 16 Jahren führen wir Kinder und Jugendlichen des Spielhaus Schillerstraße
ein Stolperstein-Projekt.
Wir recherchieren Biografien, putzen Steine,
treffen Nachkommen, stellen Fragen.
So wird Empathie nicht nur gelehrt,
sondern eingeübt – durch das Hören, das Nachfragen, das Mitfühlen.
Viele von uns haben keine familiären Wurzeln hier in Charlottenburg,
und so ist Mitgefühl ein entscheidender Zugang zur Erinnerungsarbeit und zum Erkennen von Antisemitismus.
Bei uns am Spielhaus Schillerstraße entstand der Lern- und Gedenkort Charlotte.
Dort wird auch an Heldinnen erinnert:
Melitta Charlotte Hofmann,
eine jüdische Frau,
die in der Schillerstraße lebte und durch Untertauchen überlebte –
also durch die Hilfe vieler Deutscher, die Mensch geblieben sind.
Erinnerung und Mitmachprojekte machen Geschichte lebendig –
und sie pflanzen Empathie weiter.
Empathie heißt, sich hineinzuversetzen –
in Menschen, die ausgegrenzt oder bedroht wurden,
in Kinder, die ihre Eltern verloren,
in Familien, die fliehen mussten.
Diese Empathie ist der Schlüssel zur Erinnerung.
Sie verwandelt Geschichte in Haltung.
Im November werden wir wieder eine besondere Begegnung haben – mit Ernest Glaser,
der als junger Mann aus Charlottenburg fliehen musste, nach Shanghai.
Wir dürfen ihm über eine Leinwand begegnen,
ihn hören und mit ihm sprechen.
Seine Geschichte zeigt,
was Flucht, Mut und Menschlichkeit bedeuten –
und wie wichtig es ist, zuzuhören, solange Zeitzeugen noch sprechen können.
Wir sehen, dass diese Erinnerungs- und Empathiearbeit
seit vielen Jahren zu Charlottenburg gehört.
Darum passt auch diese Gedenkstele und die Benennung des Clara-Israel-Platzes so glaubwürdig hierher –
keine leere Floskel in einer Zeit, in der Antisemitismus wieder lauter wird
und Haltung umso wichtiger ist.
Erinnerung soll Empathie wecken,
und Empathie führt zum Handeln –
gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass
und für Respekt, Solidarität und Menschlichkeit.
Wir vom KJP danken allen,
die solche Orte möglich machen.
Möge dieser Platz, der jetzt Clara-Israel-Platz heißt,
ein Ort bleiben,
an dem wir uns erinnern,
mitfühlen
und zum Handeln kommen.
Vielen Dank.



